Djurdjevic Architectes Djurdjevic Architectes
004 Pont de la Drague, Sitten

Verfahren: Architektur- und Ingenieurwettbewerb im offenen Verfahren
Auftraggeber: Kanton Walli, Dienststelle für Mobilität
Zeitraum: 2022
Budget: 15’000’000 CHF
Fläche: ca. 9’500 m2
Projektperimeter: ca. 12’000 m2
Nutzungen: Strassen-, Fussgänger- und Fahrradbrücke

Bauingenieur (Lead): co–struct, Zürich
Sam Bouten, Fabrice Meylan
Architektur: Djurdjevic Architekten, Zürich
Muriz Djurdjevic
Images: Ferala, Basel


Am Lauf der Rhône

Die besondere Qualität des Rhonetals ist ein Trumpf von höchster Bedeutung für das Wallis, sowohl wegen der grandiosen Berglandschaft, die von der Talsohle aus sichtbar ist, als auch wegen der von den Hängen aus wahrnehmbaren Talbodenlandschaft. Mit dem Projekt der 3. Rhonekorrektion werden der Fluss und seine Ufer langfristig das Rückgrat eines Netzes von öffentlichen Räumen bilden, die durch eine Reihe von Stegen und Brücken miteinander verbunden sind. Diese 160 km lange Promenade wird ein Qualitätsniveau bieten, das zur sanften Mobilität und zur Wiederaneignung der Rhône-Ufer durch ihre Bewohner und Besucher anregen wird. Die Rhône wird als Freizeit- und Verbindungsraum betrachtet; ihre Deiche dienen als Spazierwege und bieten gleichzeitig einen Raum, der die Artenvielfalt fördert und zur Entspannung einlädt. Die Deichpromenade wird eine Reihe von Stadtparks und öffentlichen Räumen wie die Chaîne de Parcs, den Place du Rhône oder den Parc des Ateliers miteinander verbinden und bis zur Pont de la Drague führen - dem künftigen symbolträchtigen Eingangstor von Ronquoz von Süden her.

Von der Natur inspirierte Formen

Das Landschaftsprojekt hat zum Ziel, zwei Arten von Verbindungen des Standorts mit seinem Kontext zu verstärken, um ihn als Teil einer grösseren natürlichen Geographie zu bestätigen: seine physischen Verbindungen einerseits, vom Standort zum Fluss, und andererseits seine visuellen Verbindungen, vom Standort zu den Silhouetten der Alpen. Seine fließenden Formen erinnern an die historischen Spuren der Rhone und ihrer alten Arme, Mäander, Zöpfe und Flussläufe in der Ebene, die sich harmonisch in den Ort einfügen, insbesondere nach der Rhonekorrektion und der Renaturierung des Vissigen-Kanals. Die Panoramamerkmale der Region werden so aufgewertet und durch eine schlanke und elegante Struktur verstärkt, die einen weiten Blick auf den Talboden ermöglicht. Der Überbau verjüngt sich zum Zentrum hin, um von der Brücke, aber auch vom Ufer aus einen freien Blick auf die Grand Paysage zu ermöglichen. Ihr dynamischer Charakter und ihre organischen Formen erinnern an die umliegende Natur und schaffen einen visuellen Dialog mit der Schrägseilbrücke von Chandoline des Pionierkonstrukteurs Christian Menn. Ihr Design und ihr zeitgenössischer Charakter machen sie zu einem innovativen Bauwerk, das sich perfekt in den Pioniercharakter der Stadt Sitten einfügt.

Intensivierung der Freizeitmobilität

Mit der schrittweisen Umgestaltung des Quartiers Ronquoz wird die Zahl der Bewohner, Arbeitnehmer und Besucher in diesem Teil der Stadt Sitten erheblich zunehmen. Die multimodale Mobilitätsstrategie gekoppelt mit einem zentralen Parkplatzangebot in Silos wird langfristig den Transitverkehr über Ronquoz und durch das Stadtzentrum von Sitten reduzieren.  Die zukünftige Drague-Brücke wird innerhalb des zukünftigen Mobilitätsnetzes eine besondere Bedeutung haben und das südliche Eingangstor für die Stadt des 21. Jahrhunderts verkörpern. Die verschiedenen Achsen für sanfte Mobilität, die durch die Neugestaltung der Rhône-Ufer sowie durch die neue Kette von Parks und den Waldgürtel angeboten werden, führen alle zur Brücke. Städtische Wendeltreppen werden eine direkte Verbindung zwischen dem Damm und der Brücke herstellen und so eine effiziente Verbindung zwischen den beiden Rhône-Ufern und dem restlichen Netz der sanften Mobilität ermöglichen. Die strukturellen Prinzipien des Projekts ermöglichen es außerdem, die volumetrische Wirkung der Brücke im Bereich der Dämme zu verfeinern, so dass grosszügig bemessene und natürlich beleuchtete Unterführungen entstehen, die beim Passieren der Brücke ein Gefühl von Sicherheit und Raum vermitteln. Die Deiche werden so zu landschaftlichen Hauptverkehrsadern, die reichlich mit Flussbaumarten bepflanzt sind und bei sommerlichen Spaziergängen Schatten und einen natürlich gekühlten Erholungsraum bieten.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit

Das gesamte Projekt ist so konzipiert, dass es den Anforderungen des nachhaltigen Bauens entspricht. Die Struktur ist so dimensioniert, dass der Einsatz von Materialien auf ein Minimum reduziert wird, ohne die Tragfähigkeit zu beeinträchtigen. So ist die Struktur stellenweise ausgehöhlt, was sowohl gerahmte visuelle Durchbrüche auf die Grand Paysage bietet, als auch den Einsatz von Stahl und Beton stark reduziert. Eine Beleuchtung der Fuss-/Radwege vom Geländer aus reduziert die Lichtverschmutzung und sorgt gleichzeitig für eine ausreichende Sicht und ein Gefühl der Sicherheit bei Nacht. Dadurch werden nicht nur die negativen Auswirkungen auf die Tierwelt reduziert, sondern auch die dynamische und elegante Form der Brücke verstärkt. Der aus lokalem Holz gefertigte Handlauf bietet den Fussgängern eine warme Haptik und erinnert an die vernakuläre Verbindung des Wallis zu seinen Wäldern.

Strukturelles Konzept

Die Brücke ist ein Hybrid aus verschiedenen Typologien: Doppelte Stahlträger in Kombination mit einem Hängesystem bilden eine Mischstruktur, die gleichzeitig ausdrucksstark und optimiert ist. In Längsrichtung drücken die Hauptträger den Kraftfluss aus: Sie leiten die Lasten aus dem Hauptfeld der Brücke zu den Stützen zurück, wo die Pylone diese Kräfte in Richtung Boden ableiten. An der Verbindung zwischen Ankerträger und Fahrbahnplatte wird die horizontale Komponente dieser Kräfte von der Betonfahrbahnplatte in Längsrichtung aufgenommen. In der Mitte des Feldes wird der Querschnitt des Profils kompakter und arbeitet auf Biegung. Die Position der Schürze variiert in der Höhe des Verbundträgers, um ständig auf Druck zu bleiben: Sowohl dort, wo die Biegemomente negativ sind (auf dem Auflager), als auch dort, wo sie positiv sind (im Feld).  Diese ideale Rollenverteilung - Stahl auf Zug und Schürze auf Druck - versteift die gesamte Struktur und verhindert Risse in der Schürze, was den Wartungsaufwand verringert.

Die fliessende Form der Stahlplatten wird rein durch ihre statischen Anforderungen gesteuert: Die sanften Steifigkeitsänderungen sorgen dafür, dass es keine grossen Spannungsspitzen gibt, um die Anforderungen an die Ermüdungsfestigkeit problemlos zu erfüllen. Auf der Rückseite der Brücke übernehmen das Eigengewicht der anfahrenden Fahrbahnplatte sowie das der Fundamente die permanenten Hebungslasten. Die Mikropfähle tragen die Nutzlasten der Brücke und verleihen der Struktur zusätzliche Steifigkeit. Dadurch kann sich die Brücke horizontal ausdehnen und gleichzeitig Zugkräfte übertragen.